Motivation auf einer Tour

[Lestat]

Hallo ihrs.. - nun sind hier im Forum ja auch etliche Profis, Semiprofis und Leute unterwegs, die auch mal "richtige" Touren gemacht haben und da würde mich mal was interessieren, weil mir diese Erfahrung (zum Glück oder leider??) abgeht... .
Letzten Freitag war ich auf einem guten Konzert (Voodoo Chile) und die 3 (unter anderem T.M. Stevens) lieferten eine gute Show ab, waren (anscheinend) gut drauf - in Partystimmung - gaben dem Publikum das Gefühl, ein "besonderes Publikum" zu sein - und das 2 Stunden lang.
Das war bisher bei (fast) allen Konzerten so, bei denen ich war.
Nun hab ich mir mal den Tourplan von Voodoo Chile angeguckt.. und gesehen, dass die (wie auf soner Tour ja wohl üblich) eigentlich JEDEN Abend spielen - mit einem freien Tag / Woche.
Und je nachdem, wie lange sone Tour geht, ist das ja ohne Frage ein "Ochsengeschäft".
Wie schafft man das, dass man Abend für Abend gut drauf ist.. - bzw. zumindest dem Publikum das Gefühl gibt, gut drauf zu sein??? Wie kann man (hoffentlich ohne Rauschmittel) - seine Motivation auf einem so hohem Level halten?
Umso schwieriger stelle ich mir es vor, wenn man ALLES selbst machen muss.. Fahrerei, Aufbau, Abbau, Organisation... usw. .
Aber selbst, wenn man diese lästigen Aufgaben delegiert hat, stell ich mir das ziemlich schwierig vor - ewig gute Miene (zum bösen Spiel) machen zu müssen - schwieriger, als ein techn. und musikalisch einwandfreies Konzert abzuliefern.
Dazu hätte ich gerne mal von Euch alten (und jungen) und erfahrenen Hasen was gelesen...

Danke schonmal
Gruß
Les
(der zum Glück oder leider??? sein Geld nicht mit der Musik verdienen muss / darf)

 

[bassatuba]

Zitat:Original erstellt von: Lestat


... stell ich mir das ziemlich schwierig vor - ewig gute Miene (zum bösen Spiel) machen zu müssen ....

Meine 5 Penny Meinung:
Sind wir nicht ein bisschen süchtig nach der Bühne, nach der Reaktion den Publikums die uns, wenn's gut läuft sehr viel zurückgibt? Die Miene ist dabei keine aufgesetzte Maske sondern Ausdruck der Spielfreude.
Wenn's für mich ein böses Spiel wär, dann wäre ich schon lange ausgestiegen (auch wenn meine Konzerthäufigkeit auch nicht annähernd so dicht ist wie oben beschrieben).

 

[Lestat]

.. mit "bösem Spiel" meine ich natürlich nicht, dass man gegen seine "Bestimmung" auftreten muss.. sondern, dass man auf so einer Tour auch einfach mal mies drauf sein kann... - aber das ja nicht zeigen "darf".... alleine schon, wenn ich dran denke.. dass man sich mal ne Erkältung eingefangen hat.. oder ganz übel - Kopfschmerzen.. - und man sich eben nicht in die Ecke stellen und warten kann, bis es vorüber ist.
Und ich bin sicher nicht launisch.. - und Auftreten hat mir auch schon immer viel Spaß gemacht - aber wenn ich eben überlege.. ich müsste das jeden Abend machen.... das stell ich mir eben schwierig vor....

 

[bassatuba]

Gegen Kopfschmerzen gibt's Tabletten (auf der Tour) und harte Arbeit (und das sind die Touren) darf doch auch Spass machen, oder nicht?
Und wenn's mit einer Erkältung ausgerechnet die Sängerin erwischt hat, dann muss eben die Band mehr ran (Teamwork!). Das Publikum hatte in in so einem Fall volles Verständnis dass mehr Stücke als üblich instrumental geboten wurden.

Und es gibt ja auch viele gute Musiker, die Touren dankend ablehnen! Mir fällt dazu spontan Miroslav Vitous (ex Weather Report) ein.

Aber ich versteh schon was du meinst: hab mir auf einer Tour eine Bandscheibe verdonnert...

 

[Nymi]

Zitat:Original erstellt von: bassatuba

Aber ich versteh schon was du meinst: hab mir auf einer Tour eine Bandscheibe verdonnert...

Uuuh - bei mir hat es nur zu einem verdrehten Kreuz gereicht, aber der Abend war kein Vergnügen...

Dann haben die Kollegen eben mehr gemacht (in jeder Beziehung!) und das Publikum hat kaum etwas gemerkt.

Einen Auftritt absagen? Ist bei mir - toi, toi, toi! - in 37 Jahren "on stage" noch nie vorgekommen, selbst nach einem Stromschlag, den ich beim Aufbau erlitten habe, und der mich anschließend 3 Wochen flachgelegt hat, nicht!

Im Moment ist es bei mir mit der Arbeit auch etwas schwierig zu koordinieren; aber im Ernstfall steht man halt Freitags morgens um 5 auf, geht zur Arbeit, kommt nach Hause und duscht, packt die Klamotten, liefert einen geilen Gig ab, kommt nach Hause, geht schnell duschen, anschließend arbeiten und fällt Samstags nachmittags um 16 Uhr wie tot ins Bett - aber: that's Rock 'n' Roll! []

 

[Lestat]

so..und wenn du nun Samstagsabends wieder einen Gig hast.. und Sonntags gleich drauf auch? Und das die ganze Woche mit einem freien Tag? DAS meine ich........
(solche Stressauftritte - erst arbeiten .. dann Kram einladen - aufbauen spielen - abbauen und mitten in der Nacht nach Hause kommen hatte ich natürlich auch schon öfter... aber halt noch keine Tour)

 

[Nymi]

Zitat:Original erstellt von: Lestat

(solche Stressauftritte - erst arbeiten .. dann Kram einladen - aufbauen spielen - abbauen und mitten in der Nacht nach Hause kommen hatte ich natürlich auch schon öfter... aber halt noch keine Tour)

Naja, wer auf Tour ist, arbeitet normalerweise nicht auch noch, oder? Unsereiner arbeitet UND macht Musik (auch bis zu 3x die Woche....).

 

[Hobelhai]

a) Stars auf Tour bekommen sprichwörtlich den Arsch hinterher getragen.
b) Viele sind auch schon so "durchprofessionalisiert", das Du gar nicht mitbekommst, wenn die mal schlechte Laune haben. Das ist natürlich für den Veranstalter und alle sonstigen Beteiligten toll, die Show läuft auf jeden Fall.

 

[Ozy]

Zitat:
b) Viele sind auch schon so "durchprofessionalisiert", das Du gar nicht mitbekommst, wenn die mal schlechte Laune haben. Das ist natürlich für den Veranstalter und alle sonstigen Beteiligten toll, die Show läuft auf jeden Fall.

Dann geh mal auf 'n Slayer-Konzert wenn die Herren nen schlechten Tag haben. Ne Unverschämtheit was einem da geboten wird [][]

Aber es stimmt schon, gerade im Ska und Raggae Bereich muss ich die Leutz echt bewundern, die jeden Tag auf der Bühne stehen und Gas geben. Die zeigen oft ne Freude, sowas kenn ich nur von meinen ersten Urlaubstag []
Natürlich haben die Spaß an ihrer Musik, aber jeder hat doch mal nen Tag wo er eigentlich nicht so will...

Grüße, Ozy

 

[OnkelL]

Zitat:
Dann geh mal auf 'n Slayer-Konzert wenn die Herren nen schlechten Tag haben. Ne Unverschämtheit was einem da geboten wird

[]
Ich hab Slayer mal an einem guten Tag gesehen und fand es schon eine Frechheit, wie die mit dem Publikum umgesprungen sind. Später dann an einem schlechten Tag gesehen, da fehlen mir immer noch die Worte. Das hat auch nichts mehr mit dem typischen "Slayer-Image" zu tun, sondern ist einfach eine Beleidigung der Fans, die einen Haufen Kohle für ihre Karten gezahlt haben!

Aber zum eigentlichen Thema: Mit Nebenhöhlenentzündung, Außenohrentzündung (gibt es auch) und völlig zittrig vom Antibiotikum habe ich vor 2 Wochen auch nen Auftritt gehabt. Auch noch am Flügel [**/]. Wenn ich auf meine Hände gesehen habe wurde mir schon schlecht. Aber als wir nach dem zweiten Stück gemerkt haben, dass die Leute mitgehen war die Krankheit für die paar Stunden aber einfach weg. Applaus ist einfach die beste Droge/Medizin!

 

[Chuck]

Da fällt mir ein Konzert des Golden Gate Quartetts in meiner kleinen Heimatstadt ein, muss anno '74 gewesen sein. Man hat kurzfristig eine Kirche als Veranstaltungsort gewählt, worauf die Herren sofort das Repertoire auf rein spirituelle Songs umgestellt hatten.
Allerdings hatte man die Heizung zu spät angeworfen, die Sänger in ihren dunkelblauen Anzügen haben mit den Armen gerudert - aber einen Klasse Set abgeliefert.

 

[TomM]

Keine Ahnung, war noch nie in der Situation. Aber irgendwie ist der Verbrauch illegaler chemischer Substanzen in dieser Berufsgruppe erhöht. Fiel mir nur grad dazu ein.

 

[punkschlumpf]

ich denke einfach das die gute miene und laune, sowie die sucht nach der bühne den profi ausmacht

 

[Metalfist]

wir hatten kürzlich eine minitour. das war schon extrem anstrengend.

wie man das monatelang aushalten soll frage ich mich auch...

 

[alice d.]

jemand wie bootsy ist leidenschaftlicher bassist und musiker. er hat sein hobby zum beruf gemacht. das war nicht "du hast jetzt bassist gelernt, für alles andere bist du auch eh zu deppert, schuster bleib bei deinen leisten, und jetzt machst du den scheiß bis zur rente..." er bekommt gute kohle für das was er da tut. er kann sich aussuchen, mit wem er sich auf die bühne stellt. das ist nicht mehr die liga, in der man sich in der probe wieder über den doofen gitarristen ärgern muß, der zu spät kommt und seinen part nicht kann und sich schon wieder ums bierholen drückt.

sprich, wenn du mit deiner hobbyband aus lauter zusammengewürfelten individuen losziehst, um so eine tour zu machen, solltet ihr schon gut miteinander auskommen.

zudem: bootsies arbeitstag hat satte drei stunden: auf die bühne gehen, soundcheck, in die umkleide, koks und nutten probieren, auf die bühne, das tun, was einem im leben am meisten spaß macht, und das zwei stunden lang, fertig. der rest ist rumkutschiert werden, dem roadie beim schleppen zugucken, n bierchen zischen... da kann man schon mal ganz relaxt seinen spaß haben.
du kommst von deinem brötchenjob, grade noch die deadline eingehalten, der chef war auch wieder motzig, die ehefrau hat irgendeinen quark gekocht und mosert rum, weil du nie daheim bist und immer nur diesen rock spielst, dann darfst du noch durch den stau und das dreckswetter zum proberaum, den ganzen krempel einladen... du bist doch alles andere als relaxt, wenn du dann endlich reif für den soundcheck bist.

 

[Matbas]

Also erstens verstehe ja sogar ich, was der Gute Alice uns mit Bootsy gagen wollte. Und das heisst schon was, wenn ich mal was verstehe, kannste den Herrn Fendermental fragen.

Zum Thema hab ich sogar auch was beizutragen, obwohl meine bisher laengste "Tour" lediglich vier Tage mit je vier kanpp dreistuendigen Konzerten In Folge besatand.
Das Vierte war mit Abstand das Beste und hat am meisten Spass gemacht, obwohl wir am letzten Tag zehn Stunden Im Auto gesessen haben (670 Kilometer auf polnischen Landstrassen).
Man muss es halt wirklich mehr lieben als ales andere, wann man sowas durchziehen will. Sonst laesst man es besser bleiben. Bei unserer Band war das in diesem Herbst so, als ob wir mit jedem Tag besser in Fahrt gekommen waeren, besser aufeinander eingestallt waren.

Das ganze drumherum, die Fahrerei mit zwei Autos, die schlepperei der Verstaerker und Instrumente, das Einladen packen, die Wareteri wie schon beschrieben. Das alles ist kein Spass und wird bestimmt mit jedem Tag nerviger.
Aber wenn man wirklich lebt, um zu spielen, weil man das wie nichts anders liebt, so wie Alice das an Bootsies Beispiel so schoen beschrieben hat, dann nimmt man den ganzen unangenehmen Karm hin. Leider kann man sich und sein Zeug noch nicht von einem konzertort zum anderen beamen. Sehr schade.[][][][][]
Als "Kleindarsteller" hab ich mal am Frankfurter Fritz Remont Theater bei "Cabaret" mitgespielt. 90 Abende in Folge ohne einen einzigen freien Tag mit etlichen Tagen mit zwei Auffuehrungen. So viel wie damals mit den Schauspielern hab ich noch nie gelacht - leider auch noch nie so viel in so kurzer Zeit gesoffen. Aber da wurde unsere truppe mit dem "Mary"-Typen in der Rolle des Konferenciers auch immer, immer besser.
Also, man muss die Buehne einfach lieben, dann ist das auch kein Frust.

 

[Matbas]

Du bist einfach zu schnell!!!! Geduuuuuld und Spuuuucke. Vermutlich spielst du nicht so viel Blues wie der Alice und ich!!!

 

[Herr K]

Mir fallen da zwei Dinge ein:

Für Profis (solche zumindest) ist das Instrument lebensnotwendig. Ein Tag ohne Instrument ist genauso ein schöner Tag wie einer ohne Wasser und Essen. Man braucht es einfach.

Außerdem sind Musiker auch zu einem bestimmten Teil Schauspieler. Wer fühlt schon immer was er gerade spielt?
Da würden die Sets jeden Tag neu gestaltet werden müssen. Außerdem gäbe es meistens nurnoch Konzerte in komplett Dur und schnell oder alles in Moll und langsam. Eine "Tagesgrundstimmung" kann man nicht in 3 Minuten ändern.
Ein Profi muss auch eine traurige Ballade spielen können, wenn er gerade innerlich vor Freude strahlt und umgekehrt.
Und noch wichtiger: wir wollen uns auf der Bühne ja nicht prostituieren und jedem unser Seelenleben offenbaren. Wir spielen Musik, die die Gefühle der Zuschauer berührt uns aber eigentlich auf der Bühne kalt lässt.

PS: Natürlich meine ich nicht, dass man nicht hinter seiner Musik steht und das nicht auch fühlt - aber eben nicht immer alles
und das muss man auch nicht auf der Bühne fühlen. Ein Profi hat den Job ein Publikum zu bewegen und nicht sich selbst!

Grüße,
K

 

[Ramsay Bolton]

Bin alles andere als ein Profi oder noch sehr weit von ner Tourentfernt, aber:
Es ist ihr verdammter Job, also muss man den auch machen.
Als ich am Theater war musste ich auch ne Woche lang auf der Bühne stehen (kleine Rolle & Musik). Und das obwohl mich meine Freundin nach 3 Jahren verlassen hat und eins meiner Haustiere ein paar Tage vorher eingeschläfert wurde. Einfach Augen zu und durch, sobald das Publikum da ist hat man eh alle Sorgen vergessen. Ab da hab ich auch Blut geleckt und liebe es, auch alleine, auf der Bühne zu stehen und vor Publikum zu agieren.

 

[bassatuba]

Zitat:Original erstellt von: DerAlucard


... sobald das Publikum da ist hat man eh alle Sorgen vergessen...

So geht's auch mir wenn ich gelegentlich auf Tour bin!